Durcheinander im Chaos der Großstadt

Wir fahren zum Inti Raymi, dem Sonnenfest der indigenen Bevölkerung, ein altes religiöses Fest der Inka zu Ehren der Sonne. In der vierten Nacht soll es endlich Schlaf geben. Natürlich wieder anders als gedacht. Mitternacht fallen wir auf die in der Garage ausgebreiteten Matratzen. Drei Uhr wache ich in einem See auf, von irgendwo kam viel Wasser über die Fliesen gelaufen, die Matratze ist schon nass. Wir laden die zwei anderen Matratzen und die wunderbar tief schlafende Evelin in die Küche um und schlafen dort weiter. Es riecht nach Chicha und Müll. Früh gibt es in Bad und Küche kein Wasser, keine Dusche, keinen Kaffee, kein Zähneputzen, wir fahren direkt zum Inti Raymi.

Es ist der letzte Tag des Sonnenfestes. Die verschiedenen Cabildos, Vereinigungen Indigener, zeigen auf der Bühne ihre Dankesgaben und traditionellen Tänze.
Später spielt die Gruppe Walka und kaum ein Besucher des Festes steht noch still. Um und in dem eingezäunten Sitzbereich vor der Bühne bilden sich kleine und große Kreise gemeinsam tanzender Menschen. Ich bin bald mittendrin und tanze mit den kleinen Nasa, Cofán, Inga… In Tippelschritten kreisen, fliegen, drehen wir uns. Die Tänze haben eine Eigendynamik ständig wechselnder Schritte und Bewegungen. Dazu gibt es reichlich Chicha und viele lächelnde, lachende, freudige Gesichter.

Mit dem mio, dem schnellen Stadtbus, fahre ich durch die ganze Stadt ans südliche Ende, um mit Antonio einen Nachmittag am Río Pance zu verbringen. Ein Venezolaner spricht zu den Fahrgästen, erklärt seine Not bittet um Unterstützung. Es klimpert ein wenig. An der nächsten Station nimmt er seiner Frau, die unweit auf einem Sitz wartet, das Baby ab und sie verlassen den Bus, um ihr Glück in einem anderen zu versuchen. Es steigt ein Mann ohne Augen ein. Er erklärt den Fahrgästen, dass er diese bei einem Unfall verloren habe, im Moment ohne Arbeit sei und bittet um Unterstützung. Es klimpert, wenn die Mitleidenden die Münzen in seine offene Hand fallen lassen. Er tastet sich durch den Bus und verlässt ihn an der nächsten Haltestelle. Ein Mann mit Chipstüten steigt ein, preist sie mit vielen Worten an, der Absatz ist verhalten. Ein junger Mann, ebenfalls Venezolaner, steigt ein. Er hat eine Verstärkerbox um den Hals hängen und fängt einen nahegehenden Sprechgesang über die miserable Situation in Venezuela an. Es klimpert deutlich hörbar von allen Seiten.

mio Bushaltestelle
Kolumbianer können stundenlang im Fluss sitzen und sich bei der Hitze abkühlen
Geräucherte Tilapia – ein Gaumenschmauß
Zu Besuch bei einer Freundin Antonios, eine englische Auswanderin

Cali ist ein gefährliches Pflaster

Hab hier einen Mann getroffen, der sich selbst tätowiert, krasse Bilder halb organisch halb technisch. Er wollte mich auch tätowieren. Gestern waren wir zusammen im Park, er hat mir gerade Fotos seiner Bilder gezeigt, da kommen zwei Typen auf einem Motorrad an, plötzlich rennen alle um uns herum weg, der eine kommt auf uns zu, zielt mit der Pistole auf meinen Bekannten und fordert das Handy. Der sagt ganz cool nein, tritt einen Schritt zurück, nein, das gebe ich dir nicht. (Das Handy war teuer für ihn, als Gärtner verdient er nicht viel.) Die Jungs hauen mit dem Motorrad ab. Kurz darauf kommt die Polizei .. angelaufen. 😂 Später zeigt er mir ein Foto seines Cousins in einer Blutlache mit 7 Löchern in der Schläfe. Seitdem hat er keine Angst mehr vor Waffen.

Mit Antonio mache ich einen Ausflug zu seiner Mama nach Tablones, Kurzurlaub von der Großstadt.

Auf dem Weg zum Fluss
.. entlang der Zuckerrohrfelder
Blumen vor dem Küchenfenster. Kolibris surren um die Zuckerwassertränke.
Ludmila ins Herz geschlossen
Kirche in Palmiras

Mit Enrique, einem neuen Yahefreund, und seinem Sohn Jacobo mache ich einen Ausflug zur Cascada de los Alemanas im Nationalpark Los Farallones, in dem eine Vielzahl bunter Vögel und noch bunterer Insekten lebt.

Die Tage in Cali vergehen in einer Mischung aus Alltag, Langeweile, Ausflüge, Shopping, Stadterkundung. Ich schreibe wenig, mache gelegentlich Bilder zur Erinnerung.

Haus des Großvaters
Babysitting im Hof
Camping in der Großstadt – im Hof unter freiem Himmel lässt es sich am besten schlafen
Kabelverbrennung in der Straße
Zentrum von Cali
Shopping mit Evelin
Chaos im Zentrum
Im Schuhladen, das Lager liegt darüber
Schnellstraße
Spielplatz in Porvenir, einem industriellen Viertel
Obleas, gefüllte Oblaten, im Park, in dem nachts Fußball gespielt wird und morgens kostenlos Yogastunden angeboten werden
Auto im Porvenir
Toma im Schwimmbad mit Blick auf das nachts hell erleuchtete Cali
Morgens ist der Ausblick grüner
Im Schwimmbad feiern die Polizisten und laden zu Rum und Asado ein
Einer ist besonders angetan – mit Witz schnell abgetan
Ajiaco, eine Hühnersuppe mit Kapern nach Geschmack aus Bogotá
Antonio in der Werkstatt
Goldschmied
Cali ist ein Paradies für Streetartliebhaber
Parque de los gatos
Eine von vielen von Künstlern gestaltete Katze
Toma in den Bergen
.. mit schöner Aussicht am Morgen

Manchmal ist mir die Stadt zu viel. Dann mache ich einen Ausflug. Mit dem Bus hinauf in die Berge, die Stille der Natur genießen, im kühlen Wasserfall erfrischen und mit dem Jeep wieder hinab in die Hitze der Stadt.

Nach einem Monat im Haus von Jovannis Vater, fahren die zwei zurück nach Putumayo. Ich bleibe in Cali, verstaue den großen Rucksack im Busbahnhof und ziehe für ein paar Nächte zu Enrique und seiner Familie. Sie wohnen in einem kleinen Haus im Stadtteil Refugio, der mit vielen Parks und Bäumen eine schönere Umgebung ist als das industrielle Porvenir mit seinen vielen Autowerkstätten. Das Schönste an Porvenir ist der Markt, in dem es preiswerte Restaurants mit leckeren Fischgerichten gibt. In Gemüse gegarter Fisch mit Reis, frittierte Banane, Salat, Bohnen, Fischsuppe und Limonade für 10.000 Pesos, 2,80€. Mein Bauch ist des öfteren prall gefüllt. Manchmal passt noch eine der mit Käse, Karamell oder Guayaba gefüllten Backwaren hinein. Dann platze ich fast, vor Zufriedenheit.

Mjammmmm

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